Handwerker sind „Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan.“ Sie „geben immer 100% (außer bei Tiernahrung)“ und wissen „Qualität kommt nicht aus Dam Ping.“ Mit Texten wie diesen feilt der Berufsstand seit Jahren an seinem Image. Stefan Koenen vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) über die Genese der Kampagne, Flashmobs mit viralem Potenzial und Notizbücher, die nach Erfolgsgeschichten verlangen.

hp15 image slider 800x398 - „Wir formulieren maximalen Geltungsanspruch“

Herr Koenen, 2010 startete der ZDH eine bundesweite Imagekampagne für das Handwerk. Was waren seinerzeit die Gründe für den Kampagnenlaunch?

Stefan Koenen: Während die New Economy Anfang dieses Jahrtausends als die Zukunftsbranche gehypt wurde – jung, wachstumsorientiert und extrem spannend –, galt das Handwerk als Old Economy kaum mehr etwas, ein vom Aussterben bedrohtes Gewerbe. So weit kam es natürlich nicht, doch diese Haltung hat Handwerker damals schwer gekränkt, zumal sie mit 1 Mio. Handwerksbetrieben, 5,4 Mio. Beschäftigten und 360.000 Auszubildenden de facto zu den Leistungsträgern dieses Landes gehören.

Gab es Zahlen, die den Eindruck des Abgesangs auf das Handwerk untermauert haben?

Stefan Koenen: Eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2008 hat unser Gefühl bestätigt: Demnach gaben nur 10% aller Deutschen an, in letzter Zeit etwas Positives über das Handwerk gehört zu haben. Zwei Drittel aller Befragten konnten sich nicht erinnern, das Handwerk in letzter Zeit überhaupt wahrgenommen zu haben. Zum Handwerk gehört eine Vielzahl von Berufen: Maler, Schreiner, Mechatroniker, Friseure, Bäcker, Fleischer, Fotografen … – aber zwei Drittel der Deutschen nahm sie nicht zur Kenntnis. Auf die Frage, wie viele Handwerksberufe sie denn aufzählen können, kam knapp ein Drittel auf nur fünf von 130 Berufen.

Mit welcher konkreten Zielsetzung ist die Kampagne dann an den Start gegangen?

Stefan Koenen: Unser Anliegen war es, die Bedeutung des Handwerks herauszustellen und Wertschätzung für den Berufsstand zu generieren. Um diese Ziele zu erreichen, hat uns die Agentur Scholz & Friends damals nachdrücklich dazu geraten, das Handwerk als „Die Wirtschaftsmacht. Von nebenan.“ zu positionieren und so, wenn auch ein wenig provokant, maximalen Geltungsanspruch zu formulieren. Das Kampagnenmotiv „Am Anfang waren Himmel und Erde. Den ganzen Rest haben wir gemacht.“ zielt in dieselbe Richtung. Natürlich wurde darüber intern viel diskutiert, auch die Kirchen wurden dazu befragt. Letzten Endes war das Feedback jedoch äußerst positiv. Ein Pfarrer hängte das Plakat sogar vor seiner Kirche auf und schrieb darunter: „Gott schuf Himmel und Erde. Und wir sind dankbar für die vielen Handwerker, die daraus etwas gemacht haben.“ Auch in zahlreichen Predigten wurde das Motiv aufgegriffen und hat so über die Kampagne hinaus für Reichweite und Gesprächsstoff gesorgt.

Wie hat sich die Kampagne über die Jahre entwickelt? Welche Themen waren bestimmend?

Stefan Koenen: Nachdem wir die Größe und Bedeutung des Handwerks herausgestellt hatten, ging es in der Fortsetzung um Themen wie Innovation, Modernität und Qualität. In der zweiten Staffel stand dann ab 2015 die Fachkräftesicherung und damit die Ansprache von Jugendlichen – von Schülern bis hin zu Studienabbrechern – im Fokus. Zunächst haben wir mit Botschaften wie „Pack mit an!“ auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Handwerk abgezielt. Anschließend folgte mit „Probier dich aus!“ ein Aufruf, sich beruflich auszuprobieren, z.B. in einem Praktikum. Flankierend haben wir das Projekt „Rekordpraktikanten“ ins Leben gerufen und zwei Jugendliche, Charly und Marvin, auf einen fünfmonatigen Roadtrip geschickt. Während dieser Zeit konnten sie 44 Handwerksberufe erkunden und über Facebook und Instagram authentische Einblicke in die Gewerke geben.

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Gibt es Botschaften, die stärker nach innen gerichtet sind?

Stefan Koenen: Mit mehr als 1 Mio. Betriebe sind die Handwerker natürlich unsere besten Werbeträger. Insofern zielt unsere kommunikative Strategie auch darauf ab, ihren Stolz zu wecken. In der aktuellen Kampagne, in der es um die erfüllenden Momente im Handwerk geht, versuchen wir beides zu vereinen. Slogans wie „Wieder mal die Welt gerettet. Und? Was hast du heute gemacht?“ richten sich als Aufforderung an Jugendliche, stärken gleichzeitig aber auch das Selbstwertgefühl unserer Handwerker.

Man kennt die Imagekampagne v.a. von Plakaten, Spots und aus dem Netz. Spielen auch Events eine Rolle?

Stefan Koenen: Wir unterstützen den einheitlichen Auftritt von Handwerkskammern und Kreishandwerkerschaften auf Messen und Events. Davon abgesehen spielen Veranstaltungen punktuell eine Rolle, insbesondere wenn sie virales Potenzial entfalten können. Z.B. haben wir 2016 einen Flashmob auf dem Alexanderplatz in Berlin initiiert. 150 Fashionklone demonstrierten dort zur Fashion Week für mehr Kreativität und Qualität – und führten den Passanten so eindrucksvoll vor Augen, dass billige Massen ware Konformität befördert. Darüber hinaus haben wir bereits zwei Mal für Abschlussklassen den ultimativen Schulstreich organisiert – mit Party-Bus, Schaumkanonen und den YouTube-Stars ApeCrime als Special Guests.

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Fashionklon-Flashmob: Mit einer aufmerksamkeitsstarken Aktion warb der ZDH zur Fashion Week in Berlin für mehr Qualität in der Textilbranche.

Inzwischen läuft die Kampagne acht Jahre. Hat sich der Blick auf die „Old Economy“ in dieser Zeit verändert?

Stefan Koenen: Schon 2014 kam eine erneute Forsa-Umfrage zu dem Ergebnis, dass sich die Werte zur Wahrnehmung und Wertschätzung signifikant verbessert haben. Sie sind durchschnittlich um das Doppelte gestiegen und verharren seither auf diesem Niveau. Das Handwerk ist wieder etwas wert, das zeigt sich etwa auch in der vielfältigen Craftkultur, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Eine weitere wichtige Messgröße ist für uns die Entwicklung der Lehrstellensituation. Hier stellen wir mit Stolz fest, dass der Anteil der Jugendlichen, die eine Lehre absolvieren, steigt: Im vergangenen Jahr um 2,5%, in diesem Jahr bislang um 4% – und das obwohl die Zahl der Schulabgänger aufgrund der demografischen Entwicklung sinkt und der Anteil der Abiturienten zunimmt.

Als Dachverband sind Sie darauf angewiesen, dass die einzelnen Akteure des Handwerks die Kampagne mittragen. Dazu stellen Sie ihnen umfangreiche Materialien zur Verfügung. In welchem Maße wird das Angebot genutzt?

Stefan Koenen: Für eine solche Kampagne ist es unabdingbar, dass sie nicht nur zentral und bundesweit ausgerollt wird, sondern auch von Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen und Betrieben vor Ort aufgegriffen und geerdet wird. Dazu gibt es ein Werbemittelportal, in dem z.B. TV-Spots, mehr als 1.000 Motive und Slogans, aber auch Pressematerialien zum Download bereitstehen. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden auf dem Portal mehr als 21.000 Kampagnenmaterialien z.B. für Anzeigen, Grußkarten oder als Banner für Websites heruntergeladen. Daneben können auch haptische Werbeträger über das Portal individualisiert und bestellt werden. Hier sind es etwa 20.000 Handwerksorganisationen und Betriebe, die dieses Angebot wahrnehmen. Unser absoluter Bestseller ist die Kampagnen-Briefmarke: Sie wurde in den vergangenen vier Jahren mehr als 10 Mio. Mal verkauft.

Wie werden die Werbeartikel von den verschiedenen Akteuren eingesetzt?

Stefan Koenen: Die Nutzer unseres Werbeartikelangebotes sind in erster Linie Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften und Innungen, die z.B. auf Ausbildungsmessen oder in Schulen unterwegs sind und für das Handwerk werben. Hierfür brauchen wir v.a. Streuartikel. Zu Anlässen wie Lossprechungsfeiern oder Meisterfeiern sind dagegen auch höherwertige Präsente gefragt. Sprüche wie „Qualität kommt nicht aus Dam Ping“ oder „Leidenschaft ist das beste Werkzeug“ tragen maßgeblich zum Charme der Kampagne bei.

Welche Anforderungen stellen Sie an die haptischen Werbeträger? Wie wichtig ist die Verbindung zur Kampagne?

Stefan Koenen: Bei den Werbeartikeln sind die Sprüche ebenfalls von zentraler Bedeutung. Dabei lassen sich die Botschaften auf dreierlei Weise ausrichten: Man kann sie auf den Werbeartikel beziehen, Inhalte der aktuellen Kampagne aufgreifen oder damit eine konkrete Zielgruppe adressieren. Wenn wir z.B. Pflasterbriefchen mit „Das war der Hammer!“ branden oder Streichholzschachteln mit „Feuer und Flamme für: das Handwerk.“, korrespondieren die Sprüche mit den haptischen Werbeträgern, auf denen sie abgebildet sind. Dagegen nehmen wir mit Produkten wie dem Mousepad „Die Werkbank von heute.“ oder der Tasche „Werkzeugkoffer 4.0“ Bezug auf eine Kampagnenphase, in der wir die Innovationskraft des deutschen Handwerks herausgestellt haben. Darüber hinaus haben wir vor zwei Jahren eine Werbeartikelkollektion aufgelegt, die sich mit hellen Farben und Produkten wie Coffee-to-go-Bechern oder Kondomen gezielt an Jugendliche richtet. Unter dem Motto #einfachmachen werben wir mit den Produkten für einen niederschwelligen Einstieg in das Handwerk.

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Sie haben davon gesprochen, dass manche Werbeartikel spezielle Zielgruppen adressieren. Wie sieht so etwas konkret aus?

Stefan Koenen: Wir haben z.B. eine Kooperation mit dem Bundesverband der Deutschen Drehbuchautoren. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Handwerker im Fernsehen, v.a. im fiktionalen Bereich, stark unterrepräsentiert sind. Ärzte, Anwälte, Barkeeper, Werber – sie alle kommen vor, nur der Handwerker ist eine Rarität. Um das zu ändern, stehen wir im Dialog mit TV-Sendern, Produzenten und Drehbuchautoren. V.a. mit den Drehbuchautoren arbeiten wir eng zusammen. Wir laden sie in die Handwerkskammern ein, organisieren Speeddatings mit interessanten Handwerkern und überreichen ihnen z.B. anlässlich ihres Empfangs auf der Berlinale ein Notizbuch mit dem Aufdruck „Schreib Erfolgsgeschichte“.

Wie geht die Erfolgsgeschichte Ihrer Imagekampagne weiter. Gibt es schon Pläne für die dritte Staffel?

Stefan Koenen: Es gibt auf jeden Fall eine Fortsetzung. Um keinen Fadenriss zu riskieren, werden wir ab 2020 parallel zu den Jugendlichen auch wieder stärker die Öffentlichkeit und Meinungsbildner adressieren. Zudem haben wir festgestellt, dass Aktionen, die wie die „Rekordpraktikanten“ zunächst werblich Aufmerksamkeit erzeugen, dann aber schnell mit authentischen Geschichten unterfüttert werden, die höchste Wirkung erzielen. Solche Projekte wird es in Zukunft auch mehr geben, zumal viele unserer Handwerker auch tatsächlich etwas zu erzählen haben.

// Mit Stefan Koenen sprach Andrea Bothe

Fotos: Jens C. Friedrich, © WA Media (2); Stefan Höderath (1); Shutterstock (1); ZDH (3)

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